Autor:innen:
Lars Lenze | PH FHNW | Switzerland
Dr. Claudia Klostermann | PH FHNW | Switzerland
Prof. Dr. Elke Gramespacher | PH FHNW | Switzerland
Prof. Dr. Siegfried Nagel | Universität Bern | Switzerland
Die Kostenverursachung durch körperliche Inaktivität wird in der Schweiz auf jährlich über eine Milliarde Franken beziffert (Mattli et al., 2014). Die körperliche Inaktivität der Schweizer Bevölkerung zeigt sich auch in Untersuchungen zur körperlichen und sportlichen Aktivität (Lamprecht & Stamm, 2014). Fast ein Fünftel der Bevölkerung erreicht die Vorgaben des Mindestmasses an Bewegung der Weltgesundheitsorganisation nicht (WHO, 2010). Folglich ist u.a. aus wirtschaftlichen und gesundheitlichen Gründen das Ziel verschiedener gesellschaftlicher Akteure, die Folgen körperlicher Inaktivität bei möglichst vielen Menschen zu verhindern. Eine Möglichkeit wäre, Menschen zu gesundheitsförderlicher körperlicher und sportlicher Aktivität zu bewegen. Dies kann z.B. über regelmässiges Sporttreiben geschehen. Um dieses regelmässige Sporttreiben verstehen und beeinflussen zu können, werden längsschnittliche Daten über den Lebensverlauf benötigt, wobei die Datenlage defizitär bezeichnet wird (Yingwattanakul & Mochis, 2017). Diese Beschreibung des Verlaufs von Sportaktivitäten über die Lebensspanne wird als lebenszeitliche Perspektive bezeichnet, worunter zwei weitere thematische Unterscheidungen gemacht werden können. Einerseits beschäftigt sie sich mit Lebensereignissen, welche einen positiven oder negativen Einfluss auf das Sportverhalten haben. So beschreiben z.B. der Beginn einer neuen Arbeitsstelle oder ein Wohnortswechsel Gründe, weshalb das Sportverhalten eingestellt werden könnte. Solche Wirkmechanismen wurden bisher wenig untersucht, obwohl diese einschneidenden Lebensereignisse einen grossen Einfluss auf die Veränderung des Sportverhaltens haben können (Allender, Hutchinson & Foster, 2008). Andererseits kann auch die sportliche Vorgeschichte einen Einfluss darauf haben, wie sich das spätere Sportverhalten ausprägt. Dabei scheint insbesondere ein kontinuierliches Ausüben verschiedener Sportarten in jungen Jahren dazu beizutragen, dass das Sportverhalten im Lebensverlauf beibehalten wird (Klostermann & Nagel, 2011).
Bisherige Forschungsansätze beschäftigten sich lediglich mit einzelnen Lebensabschnitten oder -ereignissen. Der gesamte Lebensverlauf wurde weitestgehend noch nicht betrachtet, obwohl gerade das Verständnis desjenigen notwendig wäre, um die sportliche und folglich körperliche Aktivität der Schweizer Bevölkerung zu fördern.
Aus dieser Forschungslücke ergeben sich für meine Dissertation die Fragestellungen, inwiefern Lebensereignisse aus anderen Lebensbereichen und insbesondere die Verknüpfungen dieser Ereignisse einen Einfluss auf die Sportaktivität im Lebensverlauf der Schweizer Bevölkerung haben. Weiter wird der Frage nachgegangen, inwiefern die sportliche Vorgeschichte einen Einfluss auf die aktuellen Sportaktivitäten hat. Darüber hinaus soll untersucht werden, wie das Zusammenspiel der sportlichen Vorgeschichte und Lebensereignissen aus anderen Lebensbereichen die sportliche Aktivität beeinflusst.
Damit sollen Implikationen für Unterstützungsmöglichkeiten auf struktureller Ebene abgeleitet werden, um die regelmässige sportliche Aktivität in der Schweizer Bevölkerung zu fördern.
Als theoretisches Rahmenmodell wird der soziologische Ansatz der Lebensverlaufsforschung nach Mayer (1990, 2009) herangezogen. Darin wird der individuelle Lebensverlauf als eine „Abfolge von Aktivitäten und Ereignissen in verschiedenen Lebensbereichen und verschiedenen institutionalisierten Handlungsfeldern“ verstanden (Mayer, 1990, S. 9). Dazu werden mehrere soziale Organisationsebenen (Makro-, Meso-, Mikroebene) und mehrere Zeitdimensionen (Lebensalter, historische Zeit, Verweildauer in bestimmten Situationen) betrachtet. Dabei ist hervorzuheben, dass Aktivitäten nicht isoliert, sondern abhängig von früheren Lebensereignissen und anderen Lebensbereichen angeschaut werden.
Der Rahmen der Dissertation bildet das Forschungsprojekt „körperliche und sportliche Aktivität im Lebenslauf“, welches an die offizielle Bundeserhebung „Sport Schweiz 2020“ gekoppelt ist. Die sportlichen Aktivitäten aus dem Lebensbereich Freizeit werden als Abfolge von ausgeübten Sportaktivitäten und als Abfolge von Ereignissen wie z.B. das Beitreten in einen Sportverein über den gesamten Lebensverlauf beschrieben. Weiter werden familiäre Ereignisse (z.B. Beziehungen), schulische und berufliche Ereignisse (z.B. Ausbildungen) sowie die Wohnsituation (z.B. Wohnortswechsel) erfasst. Die Stichprobe umfasst 2000 in der Schweiz wohnhafte Personen zwischen 15 und 74 Jahren. Mittels quantitativem Fragebogen werden die Längsschnittdaten retrospektiv über den Lebensverlauf per Telefonbefragung (CATI) in einem Kohorten-Sequenz-Plan erhoben. Als Auswertungsmethode werden Zeitreihen- und Ereignisanalysen verwendet.
Die vollständige Datenerhebung des Projekts wird bis zum Forschungstag abgeschlossen sein, jedoch werden davon noch keine Auswertungen vorliegen. Aktuell läuft die Vorstudie zur Prüfung der Reliabilität des Fragebogens (n = 30). Die Resultate der Vorstudie werden bis zum Forschungstag vorhanden sein und es kann eingeschätzt werden, welche erfassten Items reliabel und daher für die Analyse geeignet sind.
Autorenschaft:
Lars Lenze, PH FHNW, lars.lenze@fhnw.ch
Claudia Klostermann, PH FHNW, claudia.klostermann@fhnw.ch
Elke Gramespacher, PH FHNW, elke.gramespacher@fhnw.ch
Siegfried Nagel, Universität Bern, Institut für Sportwissenschat, siegfried.nagel@ispw.unibe.ch